Die Geschichte zeigt immer wieder grosse Schwankungen

Was wäre das Leben ohne Visionen, sagte sich Trudi Gobbi vor 20 Jahren und übernahm kurzerhand die Organisation der Schweizer Lesbentagung, für die ersten 14 Jahre zusammen mit Heidi Handschin.
Bis dahin organisierte die Tagungsstätte Leuenberg (BL) der reformierten Kirche während zehn Jahren Lesbentagungen, 1997 nahm Trudi Gobbi ein Jahr nach ihrer Rückkehr aus den USA erstmals teil. Eines Tages fand die Tagung wegen nur fünf Anmeldungen nicht statt:
«Ich konnte dies kaum fassen, kann es denn in der Schweiz so anders sein als in L.A.? Die Wut, welche ich dabei empfunden habe, gab mir das Feuer, etwas zu unternehmen. Ich habe diese fünf Frauen zu einem Brunch bei mir eingeladen. Meine Frage war dann, wer ist bereit, mit mir zusammen die nächste Tagung auf dem Leuenberg zu organisieren? Mit vier von fünf Frauen geschah das dann. 1998 war in der Tagungsstätte mit 58 Frauen jedes Bett belegt. Nach der Tagung waren nur noch zwei von uns bereit, eine weitere Tagung zu organisieren. Das war dann der Anfang der Lesbentagung im Lindenbühl Trogen.»

Damals wie heute hält Trudi Gobbi solche Treffen für Lesben für notwendig, um an diesen Anlässen für kurze Zeit eigene Räume zu haben und unter sich sein zu können. Einen solchen Ort bietet die Tagung, an der sich während mehrerer Tage Lesben aus der Deutschschweiz und immer mal wieder aus Deutschland treffen, sich austauschen und Lesungen, Workshops besuchen oder an Diskussionsrunden teilnehmen können. «Für die Frauen ist es wichtig, während der Tagung sie selbst sein zu können», so Trudi Gobbi. Auch 2020 ist es beispielsweise für Lehrerinnen nicht selbstverständlich, im Beruf geoutet zu sein, noch immer treffen sie auf Vorurteile und Diffamierungen. Umso wichtiger die Abstimmung von letztem Sonntag, Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung gesetzlich zu verbieten. Mit 64% Ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 41%: «Die letzte Abstimmung ist super positiv. Das gibt Hoffnung.» Denn auch trotz Hoffnung zeigt die Geschichte immer wieder grosse Schwankungen.

Vor zehn Jahren hatte Trudi Gobbi einmal innerhalb von 48 Stunden 65 Anmeldungen. Damit war das Lindenbühl voll und fast 20 Frauen mussten im Hotel untergebracht werden. Heute sei das anders, es gebe so viele Events, was an und für sich toll sei, was sich aber auch in der geringeren Anzahl Frauen zeige, die an den Lesbentagungen teilnehmen.
Aber die positiven Rückmeldungen und die Wertschätzung, dir ihr all die Jahre entgegengebracht wurden, waren für sie stets Antrieb, die Tagung immer wieder zu organisieren. Und: «Es hat mir auch Spass gemacht.»

Diese Lesbentagung wird Trudi Gobbis letzte von ihr organisierte sein. Sie wird dieses Jahr 78 und findet das 20-Jahre-Jubiläum einen schönen Anlass, um die Organisation ab- und weiterzugeben. Hedy Strebel, welche die Tagung drei Jahre lang mitorganisiert hat, wird übernehmen.
Braucht es solche Lesbentagungen weiterhin? «Ja, auf jeden Fall. Es gibt heutzutage immer noch zu viele Menschen, die meinen, keine Lesben und Schwule zu kennen, und dementsprechend Vorurteile haben. Da liegt es an uns, dies zu ändern.» Zu sich selbst zu stehen helfe, dass sich die Gesellschaft langsam ändere. Trudi Gobbi wünscht sich zudem wirkliche Gleichberechtigung, Gleichstellung auch im Umgang miteinander, denn: «Im Moment beobachte ich immer wieder, dass in Gesprächen zum Thema ‹homosexuell› bei der Reaktion der Schwerpunkt auf ‹sexuell› ist, bei heterosexuell auf ‹hetero›. Das Wort existiert nun mal so. Wäre es vielleicht anders, wenn es ‹Homoliebe› heissen würde?»

Lesbentagung, Lindenbühl Trogen, Dienstag, 25.2., bis Sonntag, 1.3.2020

Infos zum Programm unter
www.lesbentagung.ch und im Artikel vom 21. Januar 2020